Als ich bei meinen ersten Recherchen „Burnout Klinik“ bei Google eingab, bekam ich die Oberbergklinik Berlin/Brandenburg – genauer gesagt Wendisch Rietz – als Ergebnis. Wie es wohl sein wird, in so einem Laden?
Schade fast, dass ich bis zur letzten Station warten muss, um diese Antwort zu bekommen. Aber in Geduld habe ich mich auf meiner Tour ja nun üben können.
Auf dem Weg zur Klinik, stelle ich mir die Frage, wie es denn wäre, wenn ich gerade als Patient dorthin kommen würde. Wir fahren weit raus aus Berlin, kommen irgendwann durch ein Waldstück an einen pittoresk gelegenen Ort am See. Ich finde den Gedanken gruselig dort bleiben zu müssen und verwerfe ihn schnell. Schließlich bin ich „nur“ mit Herrn Dr. Willenborg zum Essen und plaudern verabredet.
Ich steige aus dem Auto aus und finde schon alleine den Brunnen am Eingang beruhigend. Der steht da also für all die gestressten Manager und Managerinnen. Gibt es eigentlich mehr Frauen oder mehr Männer in der Klinik? Vielleicht sogar Kinder? Gibt es eine Berufsgruppe, die besonders häufig vertreten ist?
Auf gehts – in den Flugmodus
Soviele Fragen gehen mir durch den Kopf und da übersehe ich doch glatt, dass ich vor lauter Aufregung vorm falschen Haus stehe. Die Klinik ist nebenan. Und sieht überhaupt nicht aus wie eine Klinik. Nun gut, ich stelle fest, der Handyempfang ist ziemlich bescheiden und frage mich ob das Absicht ist? Ich erinnere mich an den „Handy ausschalten“ Zettel, den mir Michael Volkmer auf meiner Station in Wiesbaden für den Entschleunigungskoffer gemalt hat. Lieber schalte ich mein Handy mal auf Flugmodus – bevor sie mich noch da behalten.
An der Rezeption angekommen, werden wir in den Essensraum geschickt und dürfen zwischen Rehragout und einem vegetarisch-französisch anhörenden Souffle-Gericht wählen. Links und rechts vom Teller liegen ein paar Bestecke und ich bekomme eines der besten Essen überhaupt auf meiner Tour. Also hier kann man bleiben. So schnell ändere ich meine Meinung. Eingeschlossen wird hier keiner und das Ganze nennt sich auch nicht Burnout Klinik. Sondern Akut-Klinik, aber mit einem Blinddarm braucht man nicht kommen.
Wir machen einen kleinen Verdauungsspaziergang durch das vor der Klinik gelegene Wäldchen, am Badesee vorbei. Richtig schön ists hier. Herr Dr. Willenborg erzählt mir, dass viele der neuen Patienten ähnliche „Einer-flog-übers-Kuckucksnest“-Vorstellungen von einem solchen Ort haben, wie ich. Den Patienten soll es daher so schön wie möglich gemacht werden, damit sie aus ihrem Alltag rauskommen, sich mit ihren Ängsten und Problem auseinandersetzen und daran arbeiten können. Es gibt ungefähr gleich viele Männer, wie Frauen. Kinder gibt es nicht, da die Klinik auf Erwachsene spezialisiert ist. Grundsätzlich gibt es aber Erkrankungen, wie Burnout, auch schon bei Kindern.
Die Imaginationsübung
Wir kommen zu einem Gebäude auf dem das Wort „Achtsamkeitsübungen“ steht. Ich gebe an, wie eine Hobbypsychologin und erzähle von all den vielen Achtsamkeitsübungen, die mir auf der Tour bereits beigebracht wurden. Darin bin ich sozusagen Meister. Dr. Willenborg erzählt mir von einer weiteren Übung – der Imaginationsübung. Wir gehen rein ins Gebäude, hoch zum Raum der Stille. Lustig, haben die sich das jetzt vom Kloster abgeguckt oder das Kloster von denen?
Ich hole die Seifenblasen aus dem Entschleunigungskoffer und präsentiere die Achtsamkeitsübung. Merke: Einem Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie muss man da nix erzählen. Der kriegt das natürlich sehr viel professioneller und bewertungsfreier hin, als ich.
Im Gegenzug zeigt er mir die besagte Imaginationsübung. Dabei soll ich mir einen inneren Raum vorstellen, an dem ich mich sicher fühle. Ich darf mir die Lichtverhältnisse kreieren und aussuchen, wie es dort riecht. Welche Geräusche dort sind und was sich alles in dem Raum befindet, dass mich sicher fühlen lässt. Wir sind schon fast am Ende der Übung und ich bin immer noch mit dem Gedanken beschäftigt, ob ich jetzt Dachschrägen im Raum haben möchte oder nicht. Das Licht ist durch diese schrägen Fenster immer doof und deshalb weiß ich einfach nicht, wie ich mich entscheiden soll. Entscheidungen treffen ist echt nicht mein Ding, aber man muss diese Übung auch regelmäßig wiederholen, damit man sie in Angstsituationen einsetzen kann.
Eine schöne Übung zum Abschluss meiner Tour, die ich mir auf jeden Fall behalten werde!
Wo bleibt denn jetzt die Entschleunigung?
Ich muss zugeben, in den letzten Tagen war ich fast ein bisschen gestresst, weil mir ständig die Frage gestellt wird: Bist du jetzt entschleunigt? Und, was waren die besten Tipps deiner Tour? Hast du eine Antwort auf die Frage, wie man die Zeit länger andauern lassen kann. Ist die Suche nach der verlorenen Zeit geglückt?
Stimmt, darum gings ja. Und wo bleibt die Entschleunigung jetzt? Wann kommt sie denn endlich? Viel Zeit habe ich ja nicht mehr. Man nimmt sich ein Thema vor und die Leute erwarten – Erfolg.
Eine Antwort. Man sucht nach einem Spezialisten. Einem, der einem die Lösung erzählt.
Bei Google habe ich auch auf einen gehofft, der mir den Algorithmus sagen kann. Kann aber keiner.
Ich erzähle Herrn Willenborg davon und frage welche Antwort ich jetzt geben soll. Es fühlt sich eigentlich immer noch alles so an, wie vorher. Eine Antwort bekommt man ja von so einem Therapeuten leider auch nicht, nur ein Sprungbrett.
Und während des Erzählens fällt mir auf, dass ich mein Ziel der Reise eigentlich schon längst erreicht habe. Ich habe Erfahrungen, Tipps und Meinungen von den verschiedensten Menschen auf meiner Tour bekommen. Vorher wusste ich überhaupt nichts über das Thema Entschleunigung und jetzt habe ich soviele Informationen, dass ich erstmal etwas Zeit brauche, die zu verarbeiten, zu filtern und zu schauen, was ich davon für mich mitnehmen und in mein eigenes Leben integrieren kann.
Es war ein schöner Ausflug in die Oberbergklinik und es beruhigt mich, dass ich auch hier meine Schublade für Burnout-Klinik neu füllen kann. Mit Kuckucksnest hat das hier nichts zu tun. Und der Kuckuck baut ja auch überhaupt kein Nest – man lernt nie aus.